Als Veteran, der fast vier Jahrzehnte in den Diensten unseres Landes gestanden und das hohe Gut unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung verteidigt hat, sehe ich den Entwicklungen in der Ukraine mit besonderer Besorgnis entgegen. Die dortige Krise wirft tiefgründige Fragen bezüglich der deutschen Verantwortung, unserer Werte und Gesetze auf. Im Mittelpunkt dieses Diskurses stehen ukrainische Männer im wehrpflichtigen Alter zwischen 18 und 60 Jahren, die sich derzeit in Deutschland aufhalten – und die Frage nach dem Umgang mit ihnen.
Wir alle stehen jedoch vor einem Paradoxon: Während wir verstärkt die Forderung, „nicht kriegsmüde zu werden“ (Britta Haßelmann B90/Grüne, Bundestagsrede Dez. 2023), im eigenen Land hören, drängt sich die Frage auf, wie konsequent diese Maxime durch genau diese deutschen Politiker gelebt, gefördert und auch gefordert wird. Dass Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland Asyl erhalten, während gleichzeitig die Lieferung von deutschen Waffen in deren Heimatland stattfindet, ist mehr als nur eine Form der Doppelmoral. Das deutsche und internationale Recht bietet hierfür jedoch eine klare Linie: Es gibt kein Muss zur Auslieferung, und Asyl wegen Kriegsdienstverweigerung ist in keiner Weise begründet.
Sicherlich unterscheidet sich die Haltung Deutschlands grundlegend von der eines bloßen Kriegsparteistaates. Dass von Deutschland Waffen in ein Kriegsgebiet wie die Ukraine geliefert, nicht aber Menschen zwangsweise zurückgeschickt werden, spiegelt diese Position wider. Dennoch bleibt ein mehr als bitterer Beigeschmack. Wo endet die Verantwortung für diejenigen, die hier Schutz suchen, und wo beginnt die Pflicht dieser Menschen gegenüber ihrem Vaterland? Es ist für mich als ehemaliger Berufssoldat schwer bis gar nicht nachvollziehbar, wie man diesen wehrfähigen ukrainischen Männern und Frauen während des Krieges in ihrem Land hier Asyl bietet, während wir gleichzeitig den Gedanken der Wehrpflicht und der Verteidigungsbereitschaft unseres eigenen Landes hochhalten. Wofür liefern wir Kriegsgerät in die Ukraine, wenn es dort wegen Personalmangel nicht gegen den Aggressor Russland eingesetzt werden kann? Was passiert, wenn Deutschland selbst in diesen Krieg mit hineingezogen wird? Werden dann unsere Soldatinnen und Soldaten die ukrainischen Kriegsdienstverweigerer mit verteidigen (müssen)?
Machen wir ferner noch kurz einen zeitlichen Sprung zurück in die neunziger Jahre. Seit dieser Zeit kämpften wir Deutsche nicht nur in Auslandseinsätzen, sondern auch dafür, dass Frauen in der Bundeswehr in allen Teilstreitkräften und allen Verwendungsreihen dienen dürfen. Doch im Angesicht des Krieges in der Ukraine scheinen sich im Dunstkreis der Blockparteien plötzlich die Rollenbilder der Frau durchzusetzen, die vor allem Rot-Rot-Grün längst überwunden glaubte. Müssen die wehrfähigen Menschen aus der Ukraine, die auf unserem Boden Zuflucht suchen, Männer und Frauen gleichermaßen in die Pflicht genommen werden? So wie die allgemeine Wehrpflicht in Deutschland – bis 2011 nicht nur eine Säule unserer verteidigungspolitischen Gesellschaft, die jeden Bürger, gleich ob Mann oder Frau, in die Lage versetzen sollte, das eigene Vaterland zu verteidigen.
Die internationale Politik und das humanitäre Recht sind oft ein schwieriger Spagat zwischen Abwägungen von Menschenrechten und Staatsräson. Wir stehen als Nation und als Teil der internationalen Gemeinschaft vor Herausforderungen, die uns auffordern, das Wesen unserer Solidarität und unserer Prinzipien neu, und vor allem ehrlich, zu erörtern.
Die Zeit drängt, dass wir nicht nur auf dem Schlachtfeld, sondern auch in der moralischen und rechtlichen Arena robuste und klare Entscheidungen treffen. Als getreues Mitglied der Bundeswehr und als Staatsbürger fordere ich eine ernsthafte Auseinandersetzung mit diesen Fragen – im Sinne der Gerechtigkeit, der Einheit und einer glaubwürdigen Verteidigung unserer Werte und unserer Heimat.
Kurt K. Kleinschmidt
Vorsitzender des AfD-Landesverbandes Schleswig-Holstein