Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) lässt in seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag am 25. Februar keinen Zweifel daran, dass er mit der Europäischen Union eine Fiskalunion anstrebt (EU-Fiskalunion). Das bedeutet, dass sich die EU eigene Finanzquellen erschließen will, zum Beispiel durch Abgaben im Zusammenhang mit dem Klimawandel, Grenzausgleichsmechanismen, sowie Besteuerung von Finanztransaktionen und digitaler Konzerne. Das wiederum bedeutet höhere Belastungen der Steuerzahler und Verbraucher. Wir brauchen aber nicht mehr, sondern weniger Staat. Wir brauchen insbesondere in der Krise keine zusätzliche Be- sondern eine Entlastung der Bürger und der Wirtschaft, um die Konjunktur zu beleben.
Das ist aber nur eine Seite der Medaille. Die andere ist mindestens ebenso bedeutsam: ihre Vertragswidrigkeit! Was wir erleben, ist nämlich der Marsch in die Anarchie: Gesetze und Verträge werden nicht mehr eingehalten. Das Schlimme dabei: niemanden scheint das zu interessieren.
In seiner Erwiderung auf die eben erwähnte Rede von Herrn Scholz, entgegnete der Bundestagsabgeordnete Eckhardt Rehberg (CDU/CSU), dass die Unionsfraktion die zeitlich befristete Kreditaufnahme durch die EU für gerechtfertigt hält, und dass dies nicht der Einstieg in die Fiskalunion, Haftungsunion und Schuldenunion sei. Das mag Herr Rehberg so sehen, und doch steht eines unerschütterlich fest: auch eine zeitlich befristete Kreditaufnahme ist eine Kreditaufnahme, und wenn andere Staaten dafür haften, so handelt es sich um eine Haftungsunion.
Doch gehen wir schrittweise vor: Entgegen aller gegenteiligen Versprechungen wird eine Fiskalunion angestrebt. Eine Fiskalunion bedeutet, dass mehrere Länder eine gemeinsame Fiskalpolitik betreiben. Dazu kommt es, wenn gemeinsame Kredite aufgenommen werden – wie etwa im Rahmen des (Corona-) Wiederaufbaufonds / Next Generation EU (750 Mrd. €). Hierbei vergibt die EU Anleihen (also quasi Eurobonds), für die alle Staaten gemeinsam haften. Ein Teil der daraus sich ergebenden Einnahmen wird als Kredit an andere Staaten weitergegeben. Kredite sind keine Eigenmittel, sodass dieses Verfahren gemäß Art. 311 AEUV zumindest fragwürdig ist. Die EU – und damit alle Staaten – ist in diesen Fällen also Gläubiger, und haftet somit für die Kreditnehmer. Das ist laut Art. 125 AEUV unzulässig. Auch die Bundesbank schrieb 2020: „Eine Kreditaufnahme auf EU-Ebene ist in den EU-Verträgen nicht vorgesehen.“ Selbst der Rat der EU schrieb 2020 völlig klar: „Die EU darf sich nicht durch Kredite finanzieren.“1
Die Staatshilfen für die Mitgliedssaaten der EU werden mit Art. 122 AEUV begründet. Darin geht es darum, dass Hilfen für Einzelstaaten (im Falle von Naturkatastrophen) gewährt werden können. Selbst wenn das Virus als Naturkatastrophe (Überschwemmungen, Hurrikans, Lawinen, usw.) aufgefasst werden sollte, so sind doch nicht einzelne Staaten, sondern alle Staaten betroffen. Der besagte Artikel dürfte also nicht zur Anwendung kommen dürfen.
Gemäß Lissabon-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahr 2009 ist die Haushaltshoheit ein unveräußerlicher Kernbestand unserer nationalen Souveränität. Bei dem Eigenmittelbeschluss-Ratifizierungsgesetz (ERatG) haftet Deutschland bis zum zehnfachen seines offiziellen Tilgungsanteils. Das ist nur damit zu erklären, dass geplant wird, dass Deutschland für Kreditausfälle anderer Staaten einspringen soll.
Die anderen Staaten könnten bekanntlich selbst Kredite aufnehmen. Sie brauchten weder die EU noch Deutschland dazu. In dem Fall müssten sie aber höhere Zinsen zahlen, als wenn Deutschland mithaftet. Das Konzept der EU macht nur dann Sinn, wenn Deutschland für andere Staaten mithaftet. Das ganze Konstrukt baut auf die Mithaftung Deutschlands. Die Konstruktion ist also von vornherein vertragswidrig (gegen Artikel 125 AEUV) konzipiert.
Der deutsche Staat, und damit die Steuerzahler in Deutschland, haften für die deutsche Zentralbank. Diese wiederum haftet für die EZB. Erwirbt nun die EZB die oben erwähnten Anleihen, so ist es auf indirektem Wege wiederum Deutschland, das mithaftet.
Nicht unerwähnt soll bleiben, dass die 750 Milliarden Kredite für Next Generation EU nicht in den EU-Haushalt eingestellt werden. Es handelt sich also um einen Schattenhaushalt. Die Kreditaufnahme wird wieder den nationalen Schuldenquoten nach der EU zugerechnet. Das widerspricht den Art. 310 und 314 AEUV. Es erfüllt nicht das Gebot haushalterischer Klarheit.
Zudem ist das Perfide an dieser Konstruktion die Tatsache, dass die erwähnten Kredite zwar von der EU begeben werden, die EU das Geld auch verteilt, aber von den Staaten aus deren Haushalten bezahlt (Zins und Tilgung) werden müssen. Die Nationalstaaten geben also einen Teil ihrer Haushaltshoheit an die EU ab, was nicht zulässig ist.
Quelle: Dr. Bruno Hollnagel