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Der Tag, an dem die Mauer fiel!

Am 9. November 1989 fiel die Mauer. Sie fiel nicht von selbst, sondern weil Menschen die Angst verloren hatten. Sie wollten atmen, sprechen, leben – ohne Vormundschaft, ohne Ideologie, ohne Mauern im Kopf. Doch jede Befreiung trägt die Versuchung in sich, sich selbst genug zu sein. Die Euphorie von 1989 hat uns lange getragen, aber irgendwann wurde spürbar: Äußere Einheit ist nicht gleich innere Einheit.

Heute, Jahrzehnte später, scheint unser Land erneut geteilt – nicht durch Stacheldraht, sondern durch Worte, Weltbilder und Wahrnehmungen. Die neue Spaltung verläuft nicht mehr zwischen Ost und West, sondern zwischen Menschen, die unterschiedlich denken dürfen sollten – und denen, die glauben, über den Rahmen des Erlaubten wachen zu müssen.
Doch gerade darin liegt auch eine Chance.

Denn Freiheit ist kein Zustand, den man besitzt, sondern eine Aufgabe, die man täglich erneuert. Die Generation von 1989 hat uns gezeigt, dass Mut und Wahrheit stärker sind als Systeme. Diese Erfahrung lebt fort – in jedem, der heute wagt, Fragen zu stellen, Nuancen zuzulassen, den eigenen Geist nicht einzuschläfern im Lärm der Gewissheiten.

Die wahre Wiedervereinigung besteht nicht in wirtschaftlicher Angleichung, nicht in politischer Einigkeit, sondern in der Wiederentdeckung des freien Wortes – getragen von Respekt, Wahrheitssuche und Verantwortungsbewusstsein.

1989 war der Anfang vom Ende einer Lüge. Es ist an uns, daraus den Anfang einer neuen Wahrheit zu machen – einer, die dem Menschen wieder zutraut, selbst zu denken und zugleich gemeinsam zu gehören.