Die SPD-Landesvorsitzende Serpil Midyatli äußert sich sonst eher selten zu Abstimmungen im Segeberger Kreistag – das war letzte Woche anders. Sie warf der Landes-CDU „Wortbruch“ vor. Was war passiert? Julian Flak klärt auf!
Im Dezember 2023 hatte der Kreistag einstimmig beschlossen, die Kreissporthalle für gut 14 Millionen Euro zu sanieren. Gut ein Jahr später beantragten vier Fraktionen – SPD, Grüne, FDP und Freie Wähler – eine Planungspause, um weitere Optionen zu prüfen, darunter auch einen Neubau für schätzungsweise mehr als 22 Millionen Euro zuzüglich der bereits für die Planung der Sanierung ausgegebenen Gelder. Dem Antrag stand die Verwaltungsvorlage entgegen, im Sommer mit der Bauausführung zu beginnen. Drei Ausschüsse hatten jeweils beide (!) Vorlagen mit sechs zu sechs Stimmen abgelehnt. Also ging der Kreistag ohne Beschlußempfehlung in die Beratung. Im Kreistag haben CDU und AfD regulär eine knappe Mehrheit.
Und da darf nicht sein, was doch ganz natürlich ist: daß zwei Fraktionen unabhängig voneinander einer Verwaltungsvorlage zustimmen. In der Logik der SPD ist dies ein Bruch einer Brandmauer, die es im Segeberger Kreistag in ausgeprägter Form sowieso nie gegeben hat. Also rief die SPD-Landesvorsitzende Daniel Günther an, der sich habe kümmern wollen. Nur: Selbst eine Sitzungspause mit dem Versuch des SPD-Fraktionsvorsitzenden, die CDU-Fraktion noch umzustimmen, verhinderte nicht den demokratischen Fortgang des Geschehens: Mit 30 zu 23 Stimmen (die FDP hatte sich bei dieser Abstimmung enthalten) wurde die Sanierung beschlossen. Die CDU steuerte 22 Stimmen bei, die AfD 7, der Abgeordnete der „Basis“ eine weitere.
Der Vorgang zeigt dreierlei:
Erstens sorgt die sogenannte „Brandmauer“ für Aufmerksamkeit für kommunale Themen, die ansonsten sicher nicht so umfangreich in der landesweiten Presse stattgefunden hätte. Das ist ganz grundsätzlich erfreulich.
Zweitens geht es insbesondere der SPD immer weniger um Sachpolitik als um derartige theoretische Debatten. Vorliegend war es ja nicht einmal ein Antrag der CDU oder – gottseibeiuns! – der AfD zusammen mit der CDU, der für Unruhe sorgte, sondern ein ganz folgerichtiger Verwaltungsvorschlag. Nicht die AfD, nicht die CDU hatten sich umorientiert, sondern SPD, Grüne, FDP und Freie Wähler. Nur weil die CDU diesen Schwenk in der Sachfrage nicht mitgemacht hatte, kam es überhaupt zu einer Situation mit einer knappen Mehrheit.
Drittens emanzipiert sich die CDU offenbar zunehmend von ihrem Ministerpräsidenten und Landesvorsitzenden Daniel Günther – oder zumindest von der eigenen engstirnigen Position aus dem Jahr 2023, als die Landespartei ihren Kommunalvertretern noch enge Vorgaben zum Umfang mit der AfD zu machen versuchten. Das funktioniert jedenfalls in Segeberg schon längst nicht mehr.
Am Ende sei angemerkt, daß die SPD in Einzelabstimmungen zum Haushalt 2025 kein Problem damit hatte, auch mal eine Mehrheit gegen die CDU zusammen mit der AfD auf die Beine zu stellen: So wurde etwa die Bezuschussung des umstrittenen Anti-Drogen-Projekts „Revolution Train“ gestoppt. Und in Ausschüssen wird gelegentlich sogar AfD-Anträgen zugestimmt. Von allen Fraktionen und ganz ohne Aufschrei oder Einschaltung der Landesebene. So ist es bei den Spezialdemokraten: Alle sind gleich, aber einige sind gleicher.
Fazit: Eine „Brandmauer“ ist auf kommunaler Ebene auf Dauer nicht durchhaltbar. Wechselnde Mehrheiten sind je nach örtlichen Gegebenheiten an der Tagesordnung – teils auch heute schon mit der AfD. Sachfragen eignen sich halt nicht für antidemokratische Ideologieprojekte. Ausschußvorsitze mögen anders als im Kreis Segeberg vorerst an den meisten Orten noch verwehrt werden. Die Bürger haben dafür aber immer weniger Verständnis und auf Dauer dürfte sich dieses Thema daher auch erledigen.